Die Gerste (Hordeum vulgare, engl. barley, altdeutsch Bere) ist ein Getreide und gehört zur Gattung Hordeum der Familie der Süßgräser (Poaceae).
Die Pflanze wird 0,7 bis 1,2 m hoch. Der Fruchtstand ist eine Ähre mit langen Grannen. Die Ähren sind im reifen Zustand geneigt bis hängend. Morphologisches Erkennungsmerkmal sind die langen, unbewimperten Blattöhrchen, die den Halm vollständig umschließen. Das Blatthäutchen ist schmal und leicht gezähnt. Botanisch betrachtet sind die Körner einsamige Schließfrüchte (Karyopsen). Gersten werden anhand ihrer unterschiedlichen Ähren in zwei- und mehrzeilige Formen unterteilt. Die zweizeiligen Formen entwickeln pro Ansatzstelle nur ein Korn, das voll und kräftig ausgeprägt ist. Bei den mehrzeiligen Formen treten drei Körner pro Ansatzstelle auf, die sich aber nicht so kräftig entwickeln wie die der zweizeiligen Formen. 2-zeilige Gerstensorten, meistens handelt es sich um Sommergerste, finden vorwiegend Verwendung bei der Bierherstellung als Braugerste. 4- und 6-zeilige Gerstensorten, überwiegend Wintergerstensorten (d.h. Saatgerste, welche im Herbst gesät wird und auf dem Feld überwintert), werden als Futtergerste angebaut.
Ursprungsgebiete der Gerste sind der Vordere Orient und die östliche Balkanregion. Die ältesten Nachweise der Gerste lassen sich bis 10500 v. Chr. zurückdatieren; Gerste, Einkorn und Emmer waren die ersten vom Menschen gezielt angebauten Getreidearten. Ab 7000 v. Chr. begann die systematische Zuchtauswahl und seit der Jungsteinzeit (5000 v. Chr.), findet auch in Mitteleuropa Gerstenanbau statt.
Während des Mittelalters war die Gerste als ertragreiches Viehfutter geschätzt. Dank der Züchtung können die Erträge, vor allem auf anspruchsloseren Standorten, mit den Weizenerträgen konkurrieren. Gerste ist eines der klassischen Getreide der Antike. Sie ist vor mehr als 8000 Jahren im Zweistromland und am Nil angebaut worden. Sie ist eng verwandt mit der im Nahen Osten vorkommenden Wildgerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum).
Die Züchtung versuchte neben der Qualitätszüchtung auch, eine technisch besser handhabbare grannenlose Gerste zu erzeugen. Dies gelang zwar (Sorten wie Ogra, Nudinka), aber diese Formen haben sich nicht durchgesetzt. Hierbei darf nicht vernachlässigt werden, dass auch die Granne photosynthetisch aktiv ist.
Unterarten und Varietäten [Bearbeiten]
- Wildgerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum)
- Kulturgerste (Hordeum vulgare subsp. vulgare)
- Zweizeilige Gerste (Hordeum vulgare f. distichon)
- Mehrzeilige Gerste
- Rollgerste (Hordeum vulgare f. hexastichon)
- Hordeum vulgare f. agriochriton
Gerstenfeld in
Kölkebeck bei Halle (Westfalen)
Gerste gedeiht am besten auf tiefgründigen, gut durchfeuchteten Böden. Aber auch mit ungünstigen Bedingungen kommt sie gut zurecht. Ihre Winterhärte ist weniger ausgeprägt als die von Weizen oder Roggen. Beim Anbau wird zwischen Winter- und Sommergerste unterschieden. Die Aussaat der Sommergerste erfolgt im Frühjahr. Sie reift in weniger als 100 Tagen heran und benötigt deutlich weniger Wärme als die Wintergerste. Wintergerste ist ertragreicher und wird im September gesät. Die Ausbildung von Nebentrieben (Bestockungstriebe) ist vor dem Winter abgeschlossen. Aus ihnen entwickeln sich im Frühjahr die Ähren tragenden Halme. Nach den Phasen der Bestockung, des Schossens und des Ährenschiebens folgt die Blüte. Gerste zählt zu den Selbstbefruchtern. In der Regel eröffnet die Wintergerste die Getreideernte. Die Ernte erfolgt bei Gelb- bis Vollreife. Wintergerste liefert, je nach Standort, zwischen 50-90 dt/ha, Sommergerste zwischen 40-65 dt/ha Kornertrag. Unter der Bezeichnung Bere läuft ein Typ von Gerste, der auf Orkney angebaut wird.
Nutzung und wirtschaftliche Bedeutung [Bearbeiten]
Frisch eingeschenktes
Bier
Die wirtschaftliche Bedeutung von Gerste ist geringer als die der Getreidearten Weizen, Mais und Reis. Gerste wird überwiegend als Futtergerste verwendet, da insbesondere die Wintergerste relativ viel Eiweiß (12–15 %) enthält.
Für die menschliche Ernährung kommt Gerste überwiegend als Braugerste zum Einsatz. Braugerste wird in der Mälzerei zu Malz verarbeitet und findet Verwendung als geschrotetes Braumalz in Brauereien, als gemahlenes Backmalz in der Backwarenindustrie, als Whiskey- und Brennmalz in der Spirituosenindistrie, als Malzkaffee oder z.B. in Flockenform bei Frühstückszerealien. Braugerste wird überwiegend aus 2-zeiliger Sommergerste hergestellt, seltener aus 2-zeiliger oder 6-zeiliger Wintergerste. Als wichtiges Qualitätskriterium für Braugerste gilt vor allem der gegenüber Futtergersten geringere Eiweißgehalt von 9,5 und 11,5 Prozent, welcher durch Züchtung und durch gezielt sparsamere Stickstoff-Düngung erzielt wird. Weiterhin zeichnet Braugerste eine Keimfähigkeit von mindestens 97 Prozent aus, da bei einem nicht keimfähigen Gerstenkorn die Umsetzungsprozesse beim Mälzen nicht stattfinden können. Ebenfalls sollte Braugerste einen Vollgerstenanteil (Siebgröße > 2,5 mm) von mindestens 90 Prozent, einen Ausputz (Siebgröße < 2,2 mm) von höchstens 2,0 Prozent und einen Wassergehalt von höchstens 14,5 Prozent aufweisen.
In nicht gemälzter Form wird Gerste zu Grütze bzw. Graupen verarbeitet und gelegentlich auch zu Mehl gemahlen.
Der Gerste werden auch Heilwirkungen zugesprochen. Gerstenwasser, auch als Tisane bezeichnet, war im 19. Jahrhundert ein beliebtes Getränk für Kranke. Schösslinge wirken entwässernd und fiebersenkend.
Da die Körner mit den Spelzen verwachsen sind, besitzt die Gerste einen hohen Zelluloseanteil (8–15 %). Ohne Spelzen enthalten Gerstenkörner 60–70 % Kohlenhydrate, überwiegend in der Form von Stärken, 11 % Proteine, 10 % Ballaststoffe, je 2 % Fett und Mineralien sowie das Vitamin B. Gerste enthält Gluten, was bei Personen mit Glutenunverträglichkeit zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Da Bier u. a. aus Gerste gebraut wird, wird diesen Personen oftmals empfohlen, auch ihren Bierkonsum zu reduzieren.
Gerstenstroh ist im Vergleich zum Weizenstroh zwar weicher, aber als Einstreu nur bedingt geeignet. Reste von Grannen können bei empfindlichen Tieren (Pferde, Schweine) u.a. zu Reizungen der Atemwege führen.
Gerstengras wird häufig bei der Tiermast eingesetzt. Es findet aufgrund des hohen Nährstoffgehalts ebenfalls Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel. Dabei werden die Blätter der jungen Gerstenpflanze verwertet und gefriergetrocknet. Dieses Pulver wird in kühlem Wasser aufgelöst und eingenommen. Der Geschmack erinnert ein wenig an verdünnten Spinat.
Die größten Gersteproduzenten [Bearbeiten]
2005 wurden laut Food and Agriculture Organization weltweit 139 Mio. t Gerste geerntet. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die 15 größten Produzenten von Gerste weltweit:
Quelle: FAO, Faostat, 2006[1]
Feld mit Gerste kurz vor der Ernte
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Produkte aus geschälten Gerstenkörnern [Bearbeiten]
- Gerstengrütze Hierfür werden die geschälten Gerstenkörner zu Grütze geschnitten. Grütze wird in unterschiedlicher Körnung in den Handel gebracht.
- Graupen (auch: Rollgerste oder Kochgerste) erhält man durch Schleifen der Gerstenkörner, wobei auch die Spitzen gerundet werden. Am bekanntesten sind die „Perlgraupen“. Dazu wird Grütze auf Schleifmaschinen bearbeitet, bis sie ihre rundliche Form erhalten.
- Gerstenflocken werden aus hydrothermisch behandelten Gerstenkörnern gewalzt.
- Gerstenmehl wird durch die Vermahlung von Gerstenflocken hergestellt.